I. Einleitung
Im Jahre 2021 und im ersten Quartal 2022 haben sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger unrichtige und falsche Impfausweis beschafft, um 2G- oder 3G-Regelungen umgehen zu können. Aus zahlreichen Mandaten weiß ich, wie einfach es war, sich über Ärzte, im Darknet oder sonstige Quellen für relativ wenig Geld entsprechende Nachweise zu besorgen.
In Deutschland sollen derzeit ca. 20.000 (!) Ermittlungsverfahren gegen Impfnachweis-Delinquenz anhängig sein. In einigen Fällen wurde oder wird sogar Untersuchungshaft vollzogen. Gelegentlich fanden auch sonstige einschneidende Zwangsmaßnahmen, z. B. Durchsuchungen, der Einsatz verdeckter Ermittler oder sogar Blutentnahmen statt. Obwohl die Strafverfolgungsbehörden derart rabiat durchgreifen, häufen sich Freisprüche bzw. erfolgreiche Rechtsbehelfe. Dies hat vor allem mit der neuen Rechtsmaterie und der damals überalteten Gesetzeslage zu tun.
Zum 24.11.2021 wurden umfassende Gesetze geschaffen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es vorher definitiv Straflücken gab. Umso überraschter muss man da sein, dass die damalige Bundesjustizministerin, Christine Lambrecht, im Mai 2021 noch Folgendes von sich gab: „Es gibt bereits ganz klare strafrechtliche Regeln. Wer hier täuscht, riskiert empfindliche Geldstrafen oder sogar eine Freiheitsstrafe. Das ist die richtige Ansage.“ Das ist definitiv falsch, im Mai 2021 war dies nicht der Fall.
II. Handlung vor dem 24.11.2021
Als mögliche Delikte kommen hier Regelungen aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) und dem Strafgesetzbuch (StGB) in Betracht. Hierbei muss man wissen, dass es sich vor allem bei den alten Regeln nach dem IfSG fast immer nur um sog. „Sonderstraftatbestände“ handelte. Das bedeutet, dass sich eigentlich nur Ärzte und Apotheker strafbar machen konnten. Sonstige Täter, also Bürger, konnten sich lediglich nach § 75a Abs. 3 IfSG durch den Gebrauch von Impfnachweisen strafbar machen. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass ein Impfzertifikat ebenfalls (fast) immer nicht zum geschützten Rechtsgut gehört. Das bedeutet, dass man sich als Bürger vor dem 24.11.2021 kaum nach dem IfSG strafbar machen konnte. Gleichwohl häufen sich die Berichte von Strafbefehlen. Das liegt daran, dass diese Problematik für die Staatsanwaltschaften und Gerichte – so gesehen – Neuland sind. Hier lohnt sich in jedem Fall ein Einspruch. Ein Freispruch oder zumindest eine Einstellung ist in solchen Fällen zum Greifen nah.
Zu erwähnen ist auch, dass die Benutzung eines gefälschten Impfausweises nach der alten Rechtslage auch noch häufig in eine Gesetzeslücke fällt. Zwar mehren sich hier die Berichte, dass Strafbefehle und Anklageschriften wegen einer vermeintlichen Strafbarkeit nach § 277 Alt. 2 StGB a.F. erlassen werden bzw. bei Gericht eingehen, so ist aber auch hierbei unbedingt zu beachten, dass ein tatsächliches Gebrauchen zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften vorausgesetzt wurde. Das bedeutet, dass z.B. das Vorzeigen beim Arbeitgeber oder aber in einem Restaurant eben keine Strafbarkeit nach § 277 Alt. 2 StGB a.F. nach sich zog. Auch lag hier kein Aufwandtatbestand wegen eines Verschaffens von amtlichen Ausweisen (§ 276 Abs. 1,2 StGB) oder wegen Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen nach § 275 StGB a.F. vor, da der Impfpass kein amtlicher Ausweis im Sinne der Vorschrift ist. Dies hat schon das OLG Köln am 06.10.2009 in der Entscheidung 81 Ss 43/09 festgestellt. Denn, so dass Gericht zutreffend, Impfnachweise können nicht nur von Behörden, sondern auch von Ärzten oder Apothekern etc. ausgestellt werden, so dass sie keine amtlichen Ausweise oder gleichstehende Urkunden darstellen.
Eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gemäß dem „allgemeinen“ § 276 Abs. 1 S. 1 Alt. StGB scheiterte daran, dass dieser Paragraph vor dem 24.11.2021 auf Impfpassfälschungen nicht anwendbar war. Die Regelung des § 277 StGB, der ja oft gar nicht einschlägig war, entfaltet trotzdem eine Sperrwirkung, so dass andere also allgemeine Strafvorschriften gar nicht anwendbar sind.
Die Herstellung falscher Impfausweise wurde nach dem alten StGB somit gar nicht sanktioniert. Gleiches gilt für das Verfälschen. Auch die Fälschung von Covid-19-Impfzertifikaten war nicht strafbar, da der § 277 StGB a.F. nahezu alle Vorschriften wegen der Sperrwirkung ausgeschlossen hat, dann aber gar nicht erst anwendbar war.
III. Handlung ab dem 24.11.2021
Den § 277 StGB hat der Gesetzgeber stark nachgebessert. Die Vorschrift heißt jetzt auch nicht mehr „Fälschung von Gesundheitszeugnissen“, sondern „Unbefugtes Ausstellen von Gesundheitszeugnissen“. Unabhängig davon, dass die Strafen drastisch angezogen wurden, ist die Vorschrift jetzt auch viel häufiger einschlägig. Nichtsdestotrotz gibt es jetzt hier noch durchaus Verteidigungsmöglichkeiten, wenn gleich die Möglichkeiten jetzt eingeschränkt wurden.
IV. Fazit
Sollte die Tat vor dem 24.11.2021 begangen worden sein, so haben Sie gute Chancen mit einem „blauen Auge“ oder sogar straffrei davonzukommen. Auch für Taten seit dem 24.11.2021 gibt es noch Verteidigungsmöglichkeiten, wenngleich diese durchaus erschwert sind.
An dieser Stelle mein – zugegebenermaßen sehr persönlicher – Hinweis: Ich bin geimpft. Der auf dem Bild zu sehende Impfausweis ist echt. Sobald die nächste Impfung von sachlichen Stellen empfohlen wird, werde ich mich einer solchen unterziehen.
Herzlichst, Ihr
Erkan Görgülü
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Strafrecht