Liebe Mandanten und Interessierte, nach längerer Abstinenz werde ich mich jetzt wieder regelmäßig zu Wort melden. Nachdem sich gleich zwei politisch aktive Mandanten mit der Frage an mich gewandt haben, was als Protest erlaubt ist und was nicht, möchte ich einmal vorbeugend meinen Senf dazugeben.
Aktuell protestieren mal mehrere und mal weniger Menschen gegen die Rodung des letzten Mischwalds in Europa, dem Hambacher Forst. Der Konzern RWE beansprucht dieses Territorium mittlerweile für sich und den Braunkohleabbau, obgleich noch gar nicht feststeht, ob die sich unter der Erde befindliche Braunkohle jemals benötigt wird. Im Zusammenhang mit den Protesten kommt es auffällig häufig zu folgenden Taten, die unter Umständen strafbar sein können.
I. Betreten
Das Betreten des Waldes könnte bereits eine strafbare Handlung, nämlich die des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB), nach sich ziehen. Sofern das Waldstück tatsächlich bereits dem RWE-Konzern gehören sollte, dies soll seit einigen Jahren der Fall sein, und dieser mit dem Eindringen oder dem Verweilen nicht einverstanden ist, kann man schon Probleme bekommen. Bei einem Waldstück kann es sich um ein sog. „befriedetes Besitztum“, also einem abgrenzbarem Raum handeln. Sollte Ihnen die RWE-AG, z.B. aufgrund früherer Proteste, bereits ein Hausverbot erteilt haben, so kann ich Ihnen nur empfehlen, sich von dem Gelände fernzuhalten.
Wenn das nicht der Fall sein sollte, so sollte die Aufforderung das Gelände zu verlassen ebenfalls nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Denn nicht nur das Eindringen, sondern auch das befugnislose Verweilen wird vom Straftatbestand des § 123 StGB umfasst. Gleichwohl sind natürlich beide Tatbestandsvarianten derzeit kaum durchsetzbar, da die Polizei vor Ort besseres zu tun hat als Personalien zu überprüfen und die ohnehin vor Ort raren Konzern-Mitarbeiter sicherlich nicht auf dem Schirm haben, wer dort vor Ihnen steht, kniet oder eben…. sitzt.
II. Sitzblockade
Spätestens durch die Proteste gegen CASTOR-Transporte und die Atomindustrie in der 70er-Jahren ist sie berühmt geworden: Die Sitzblockade. Der überwiegend „schwarzgeprägten“ Regierung war sie lange Zeit ein Dorn im Auge. Da kam die Idee auf, die Sitzblockade als Nötigung – und somit als strafbar – anzusehen (§ 240 StGB). Genial… zumindest bis ins Jahr 1995: Da gabs vom Bundesverfassungsgericht den ersten Dämpfer (mit den Details möchte ich Sie nicht langweilen). Im Jahre 2011 wurde dann klar gestellt, dass solange die Sitzblockade friedlich ist, sie auch keine Gewalt und folglich keine Nötigung darstellt (Achtung: stark vereinfacht).
III. Werfen mit Urin und Schlimmeren
Einige Protestler haben die Räumung durch Polizeikräfte dazu genutzt, diese mit Urin und Kot zu bewerfen. Bei aller Sachlichkeit: Geht’s noch? So etwas kann man gelegentlich auch im Zoo beim Affengehege beobachten. Ich finde das sollte schon zu denken geben. Zumal die – wahrlich nicht hochdotierten – Polizeikräfte sicher nicht aus freien Stücken handeln, sondern Ihre Arbeit nach Weisung verrichten. Bei aller Sympathie für den Umweltschutz: das sollten Sie in jedem Falle unterlassen. Wenn schon nicht aus moralischen, dann zumindest aus rechtlichen Gesichtspunkten, da nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern auch die Straftat der Beleidigung (§ 185 StGB) verwirklicht wird.
IV. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
Wer sich gegen die Räumung oder das Wegtragen wehrt, widersetzt sich gegebenenfalls mit Gewalt gegen die Diensthandlung eines Beamten. Dies könnte ebenfalls strafbar sein. Es handelt sich hierbei um den Straftatbestand des § 113 StGB, welcher den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte regelt. Wie unterscheide ich zwischen dem was erlaubt ist und was nicht? Die Faustregel lautet: Nicht aktiv wehren! Hände und Füße bei sich behalten und in der Regel wird Ihnen nichts passieren.
Resümierend möchte ich Ihnen ans Herz legen, die o.a. Grundregeln besser zu beachten. Ich beneide die meisten Protestler für Ihre Selbstlosigkeit, Willen und die Einsatzbereitschaft. Strafbar sollten Sie sich dennoch nicht machen. Damit werfen Sie ein schlechtes Licht auf Ihre – meiner Meinung nach eigentlich schöne und berechtigte – Bewegung. Darüber hinaus wäre damit dem Wald nicht geholfen … und Ihnen persönlich erst recht nicht.